Spielvorstellung: Kashgar
Grob vereinfacht hat jeder Spieler vor sich drei unabhängige „Karawanen“ (Kartenreihen) ausliegen und darf sich in seinem Zug die vorderste Karte einer dieser Karawanen aussuchen und sie ausführen. Dadurch tritt sofort ein Effekt ein und, und das ist entscheidend, wird die Karte von ihrer jetzigen Position gelöst und wieder ganz hinten als letzte Karte an die entsprechende Karawane angeschlossen. Sie kann so erst ein weiteres Mal ausgeführt werden, sobald alle anderen Karten dieser Karawane an der Reihe waren und sie also wieder vorne liegt. Als Effekte lassen sich nun verschiedene Gewürze oder Esel gewinnen (die auf einem separaten Tableau rundenübergreifend vermerkt werden), ausliegende Aufträge gegen Abgabe entsprechender Güter erledigen, dürfen Karten aus den Karawanen dauerhaft entfernt werden oder auch weitere Karten an die Karawanen angeschlossen werden, welche sich folglich in die Kartenreihen eingliedern und so später innerhalb dieser Mechanik ausgeführt werden dürfen.
Das alles erinnert spontan ein wenig an die jüngst so populären Deckbauspiele, da erst während des Spiel die eigenen Spielkarten zusammengestellt werden und sich unter Umständen besonders effektive Kombinationen aufbauen lassen. Nun werden hier aber ausgespielte Karten nicht genretypisch in einen einzigen neuen Stapel zusammengemischt, sobald die Handkarten ausgehen, sondern – wenn man es so interpretieren möchte – an einen von drei immer offen ausliegenden und damit vorbestimmten Kartenstapel (die Karawanen) angelegt. Neue Karten werden auch nicht von offenen Auswahlstapeln hinzugekauft, sondern direkt durch Karteneffekte verdeckt aus einem Stapel gezogen. Auch entstehen keine Kettenzüge. Kashgar ist also keine stumpfe Kopie der bekannten Deckbauspiele, sondern hält einige Änderungen und mit den drei Karawanen eine neue und überaus spannende Spielmechanik bereit.
Leider kann mich Kashgar trotzdem nicht langfristig überzeugen. Zwar ist die Grundidee brilliant und hätte problemlos eines der besten Spiele dieser Art hervorbringen können, allerdings ist mir das Spiel in der vorliegenden Form nicht ausgearbeitet genug. Dass man erst im Laufe der Partie, jenachdem auf welche Karten man Zugriff erhält, eine Strategie ausarbeiten kann, ist für gewöhnlich eine sehr positive Eigenschaft, jedoch verläuft mir dies hier oftmals viel zu zufällig: Womöglich bekommt man bestimmte Karten die man gebrauchen könnte (zum Beispiel welche die es überhaupt erst ermöglichen Aufträge zu lösen oder Esel zu erhalten) nicht, zu spät oder musste sich etwas dafür verbauen und hat so einen klaren Nachteil – zu oft muss man mit einer zufällig gezogenen Karte ohne weitere Auswahl leben, hätte mit einer anderen aber einen enormen Vorteil herausspielen können. Gewisse Karten können einen heftigst blockieren (auch wenn sie zu anderer Zeit fantastisch sein mögen) und passen schlicht nicht ins eigene Bild, andere sind nahezu immer stark, so beispielsweise die, die es ermöglichen eigene Karawanen auszudünnen, so unnütze Karten loszuwerden und das „Durchspielen“ einer Karawane zu beschleunigen. Mich beschleicht nach mehreren Partien ganz stark das Gefühl, dass auf lange Sicht das glückliche Ziehen eben dieser Karten über Sieg oder Niederlage entscheiden wird, auch wenn es unter gewissen Umständen möglich ist einen anderen Weg einzuschlagen und durch einen tollen Trick (beispielsweise das Verschieben von Karten zwischen den Karawanen) den Spieß umzudrehen. Raffinierte Kombinationen sind möglich, aber sehr situativ. Insgesamt gibt es nur wenige spannende Karteneffekte zu entdecken, das Meiste beläuft sich auf das Übliche, sprich Ressourcengewinnung, schließlich Auftragserfüllung und natürlich der Hinführung zu diesem Endspiel (also neue Karten bekommen, Karten entfernen, etc.). Das Element der drei verschiedenen Karawanen spielt sich überdies nicht so spannend wie man meinen mag – durch das Ziehen der Karten wird vieles vorgegeben und selten lässt sich das Konzept der drei Reihen irgendwie gewitzt umsetzen. Mein klares Ziel: Schnell eine Karawane ausdünnen und mit einer siegesträchtigen Kartenkombo spicken, die dann immer wieder durchgenudelt wird – anderes funktioniert eventuell, aber sicher nicht zuverlässiger. Kettenzüge fehlen zwar, aber bei jeder Aktion Karten hinundherschieben ist eigentlich nicht sonderlich viel weniger Arbeitsaufwand und gibt mir zudem nie das Gefühl nach langer Planung einen unschlagbaren Kettenzug herbeigeführt zu haben. Kashgar ist für ein paar kurze Partien sicherlich kein schlechtes Spiel, nur vermag es nicht mich bei der Stange zu halten. Das ist wirklich enorm bedauerlich, da die zu Grunde liegende Mechanik wie gesagt ausgesprochen viel Potential besitzt! Aber vielleicht probiert Ihr das Spiel ja trotzdem mal in einem kommenden Kettenzug mit „+1 Kauf“ beim Spieltraum aus – viel Spaß dabei!
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