Daniels Spielwoche (22/2014)
Nein, keine pappigen Bratklopse vom goldenen „M“ – diese Woche war Mythos-Woche bei mir. Cthulhu-Mythos, genauer gesagt. Cthu – wer? In seinen in den 20er Jahren geschriebenen Horrorgeschichten beschreibt der amerikanische Schriftsteller Howard Philips Lovecraft mehrfach nebulös und andeutungsweise Große Alte Götter, die allesamt lustig unaussprechliche Namen wie Shub-Niggurath, Azathoth, Nyarlathotep und eben Cthulhu haben* und die danach trachten, wahlweise die Menschheit auszurotten, sie zu versklaven, sie in den Wahnsinn zu treiben oder auch gleich der Einfachheit halber die ganze Welt zu verschlingen. Diese Geschichte lesen sich heutzutage teilweise ein bisschen angestaubt, sind aber deutliche Inspiration für viele moderne Horrorromane, -autoren und -filme und versprühen einfach ihren eigenen Charme. Der kosmische, unerklärbare, dabei aber nie vordergründige Grusel ist etwas ganz besonderes.
* Wer noch nichts von Lovecraft gelesen hat, dem empfehle ich „Der Schatten über Innsmouth“ und „Die Berge des Wahnsinns“. Von beiden gibt es auch formidable Hörbuchversionen von LPL Records mit tollen Sprechern.
Am Mittwoch im Spieltraum durfte ich zum ersten Mal Eldritch Horror ausprobieren, das Nachfolgespiel zu Arkham Horror. Letzteres ist ein Vierstunden-Epos mit fitzeligen Regeln, das aber jedes Mal eine … Geschichte erzählt. Eldritch Horror soll nun die Erfahrung verbessern, indem die Regel entschlackt und die Story in den Vordergrund gestellt wird. Und wie spielt es sich?
Tatsächlich konnte ich an den Spielregeln viele Verbesserungen sehen. Das Werteschieben von AH entfällt, dafür kann man seine Eigenschaften dauerhaft steigern. Das Hantieren mit dem Geld wurde ebenfalls gestrichen – Gegenstände werden nun per „Einfluss“ akquiriert, was deutlich angenehmer weil unfummeliger ist. Für die Tore und anderen Welten gibt es jetzt keine Extrafelder und Mehrfachkarten mehr, so dass sich auch das flotter spielt.
Das Beste ist aber, dass die Spieler gleich von Anfang an ein Ziel haben: bei AH läuft man meist ein bisschen konfus durch die Gegend, sammelt hier und da Hinweise und lässt sich treiben, und zwischendurch schließt man auch mal die Portale. Beim kleinen Bruder gewinnt man das Spiel, wenn man drei Mysterien, sprich: Aufgaben erfüllt hat, und so hat man direkt eine Aufgabe. Wir schafften am Mittwoch übrigens nicht einmal die erste. He.
Toll ist auch – soweit ich das bisher mit meinem einen kläglichen Versuch beurteilen kann – dass jeder Große Alte spezifische Karten und somit Storyelemente mitbringt. Wenn man gegen Yog-Sothoth spielt, erlebt man andere Dinge als gegen Azathoth. Das ist toll, birgt aber eventuell die Gefahr, dass man nach ein paar Spielen weiß, was passieren wird. Bei AH ist diese Gefahr nicht so groß, dafür ist die Geschichte aber auch nicht logisch aufbauend und/oder stringent.
Ich fand’s auf jeden Fall trotz der an Körperverletzung grenzenden Großbesetzung von sechs Spielern toll, würde aber gerne noch mal die ein oder andere Partie in kleinerer Besetzung wagen.
Als Absacker nach der mit zwei Stunden (ohne Erklärung) doch sehr erträglichen Spieldauer haben wir eine Partie Skull King gespielt. Ein nettes Stichspiel, das wie Wizard auf Stichansagen setzt. Das gleichzeitige Bieten (nach einem piratigen „Yo-ho-ho!“) ist dabei recht witzig, doch die gelungenste Änderung gegenüber dem Klassiker ist die Nuller-Regelung: wer 0 Stiche ansagt und auch bekommt, erhält so viele Punkte, wie es der aktuellen Spielrunde entspricht (also 6 in der sechsten Runde). Dadurch steigt der Reiz, eine Nullrunde zu wagen, was zumindest bei Malte jedoch so gar nicht zum Erfolg führte. Die weiteren Neuerungen von Skull King sind eine uninspirierte Trumpfregelung und gestaffelte Über-Trümpfe – Meerjungfrauen sind mehr wert als die normalen Trümpfe, die Piraten sind noch mehr wert, und der Skull King himself noch ein bisschen mehr, wobei der jedoch wieder von einer Meerjungfrau geschlagen wird. Unspannend, das hätte man auch weglassen können.
Sei‘s drum, Skull King war witzig, muss aber meiner Meinung nach, wenn man Wizard hat (und wer es nicht hat, soll sich bitte schämen), nicht unbedingt sein. Wenn man sich hinreichend geschämt hat und weder W noch SK besitzt, darf man aber ruhig zu SK greifen, und wenn es nur aus dem Grund ist, dass das Piratenthema einfach geiler ist als die hässlichen Wizard-Illustrationen.
Obwohl sich das jetzt insgesamt negativ liest, habe ich das Spiel doch sehr genossen und würde es jederzeit gerne noch einmal spielen. Krisse hat übrigens mit komfortablem Vorsprung gewonnen, danach kam ich, immerhin noch im Plus, während Matthias, Malte und Andreas jeweils im Minus dahinvegetierten.
Zum Schluss gab‘s noch zwei Runden Abluxxen. Das ungewöhnliche Stich-aber-auch-nicht-Stich-Spiel wird tatsächlich mit jeder Runde besser, wenn man es denn erst mal begriffen hat – was bei mir zugegebenermaßen ein bisschen gedauert hat. Ich konnte an dem Abend tatsächlich beide Partien für mich entscheiden, was natürlich jetzt echt ehrlich nichts mit meiner Einschätzung zu tun hat, dass es ein klasse Spiel ist, das man unbedingt mal spielen sollte. Nicht von der Gestaltung täuschen lassen, die, Ravensburger-typisch, ein bisschen in den 90ern stehen geblieben ist!
Am Freitag habe ich dann meinen zweiten dieswöchigen Mythos-Versuch mit einer neuerlichen Partie Arkham Horror unternommen, dieses Mal mit drei Spielern, die es noch nie gespielt hatten. Supersilke hat ja immerhin Erfahrung mit Elder Sign und außerdem einige Lovecraft-Hörbücher gehört, kannte sich also mit dem Mythos aus. Da ich momentan sehr im Thema bin, flutschte das Spiel ganz gut; ich musste zumindest nichts mehr in den Regeln nachschlagen, was ja bei AH schon mal ein Erfolg ist.
Wir traten gegen Azathoth an und erlebten teilweise echt merkwürdige Dinge. Ich blieb in meiner Rolle als Monterey Jack beispielsweise so lange auf der „unerforschten Insel“, dass wir schon überlegen mussten, ob wir das „un“ nicht vielleicht abkleben sollten, legacy style. Tim als Ashcan Pete war ständig verloren in Zeit und Raum. Und die halbe Stadt war unerreichbar, weil in der Mitte der Stadt ein Shoggoth sein Unwesen trieb und sich keiner traute, an ihm vorbei zu schleichen. Schwester Mary (Supersilke) wurde wahnsinnig, und Jenny Barnes verschlungen.
Trotzdem schafften wir es irgendwie, genug Tore zu versiegeln und/oder zu verschließen, um Atze aufzuhalten. Ein hartes Stück Arbeit. Aber keine Angst, wir machen das schon. Who ya gonna call?
Jetzt der ultimative Vergleich. Elder Sign punktet mit einfachen Regeln, schnellem Würfel-Spiel, relativ wenig Fitzeligkeit und toller Atmosphäre, hat aber nur „Stimmung“ und keine wirkliche Geschichte. Eldritch Horror hat ein gutes Regelset, erzählt eine Geschichte und ist vermutlich das beste Spiel der drei, kann sich aber eventuell* wiederholen und könnte dann möglicherweise langweilig werden. Arkham Horror ist ein Regel- und Umfangsungetüm mit Dampfmaschinencharakteristik (es funktioniert irgendwie, stampft und dampft aber gewaltig) und sehr viel Charme, das aber (leider?) nicht nur eine, sondern viele Geschichten erzählt. Dafür ist jedes Spiel wieder neu und teilweise irrwitzig. Meiner Einschätzung nach dürfen alle drei Spiele nebeneinander existieren. Wenn ich nur eines haben dürfte und AH nicht hätte, wäre EH meine erste Wahl. In einem halben Jahr ist Weihnachten. Nur mal so.
*und das ist nur eine ganz vorsichtige Einschätzung, von der ich mich sehr, sehr gerne abbringen lasse
Als Absacker nach dem Sieg gegen Azathoth spielten wir noch eine kurze Runde Coloretto, das es mir wirklich angetan hat. Ich habe mich dieses Mal sogar gar nicht so doof angestellt und gewonnen. Freue mich schon auf das nächste Mal. Ein Instant-Klassiker, den ich – Andrea hatte Recht! – dem Brettspiel-Ableger Zooloretto vorziehe, weil er das gleiche in kürzerer Zeit macht. Wer‘s nicht hat: mitnehmen!
So, und jetzt gibt es, klaro, noch ein Concept-Rätsel, bei dessen Lösung ich viel Spaß wünsche:
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