Fremdgehen und Spiele nicht in unserem friendly local gaming store kaufen? Geht ja gar nicht. Mache ich auch nicht*. Aber ab und an mache ich doch eine Ausnahme**. Und zwar dann, wenn es die Spiele nicht in den Einzelhandel kommen werden, weil es sich um limitierte Ausgaben und crowdgefundete Spiele handelt. Wie bitte, crowdfunding? Was ist das?

Auf der Online-Plattform Kickstarter*** stellen Spieleautoren, also prinzipiell Privatleute, denen das Kleingeld fehlt, ihre Projekte selbst zu finanzieren, Ihre Projekte vor. Und bitten um die Mithilfe der crowd, also von uns Spielern (es gibt natürlich auch massenweise Nicht-Spiele-Projekte, aber die ignorieren wir mal beflissentlich). Für das Unterstützen – englisch backing, neudeutsch Backen mit ä – gibt es dann eine Belohnung, meistens wenig verwunderlich das Spiel selbst, oft aber in einer exklusiven Auflage mit irgendwelchen Extras. Wenn ein bestimmtes vordefiniertes Ziel erreicht ist, gilt das Projekt als finanziert und wird dann produziert und (oftmals mit Monaten oder gar Jahren Verspätung, weil die Chinesen gerade Neujahr feiern – vermutlich aber eher, weil sich die Leute nicht mit den Produktionsprozessen auskennen) ausgeliefert. Wenn weitere Ziele überschritten werden, gibt es noch sogenannte Stretch Goals, Verbesserungen oder Erweiterungen, die man braucht oder nicht braucht. Meistens noch mehr Miniaturen oder aufgeblingte Komponenten.

Diese Stretch Goals sind es dann auch, die den miniaturaffinen Spieler ködern: Zombicide von Guillotine Games/Cool Mini or Not ist ein Beispiel dafür: Nachdem das eigentlich Spiel finanziert worden war, gab es alle Naselang beim Erreichen bestimmter Beiträge neue Miniaturen. So etwas spricht natürlich den Jäger und Sammler an, insbesondere dann, wenn die neuen Figuren Kickstarter-exklusiv angeboten werden. Eine abwärtsführende Spirale. Gut, wenn man weiß, dass man die meisten – zumindest die guten – Spiele auch nachher im Handel finden wird.

Bei Zombicide: Black Plague bin ich beispielsweise jüngst darauf hereingefallen. Hätte ich ein bisschen gewartet, wäre sogar die deutsche Version erhältlich gewesen. Ratzupaltuff! Ich hätte nicht gedacht, dass ZBP überhaupt auf deutsch erscheint. Vielleicht sollte mir das eine Lehre sein: man unterstütze nur Projekte von kleinen Independent-Entwicklern und ignoriere die renommierten, deren Spiele dann sowieso in den Handel gelangen. Egal, ich habe es jetzt und freue mich darüber. Und wenn Mitte des Jahres die Erweiterung und tonnenweise Miniaturen dafür ankommen, freue ich mich noch mehr.

Katakomben

Der wunderschöne Geschicklichkeits-Dungeoncrawler Katakomben ist ein weiteres Spiel dieser Kategorie. Wer damals backte, konnte sich über einmalige Helden freuen, die nie auf dem Markt erhältlich sein werden. Aber – braucht man die wirklich? Das Spiel bietet schon in der Grundversion eigentlich genug Abwechslung. Wie oft spielt man so ein Nischenspiel? Ich zumindest nicht sehr häufig, weswegen ich schon beschlossen habe, es wieder abzustoßen. Vermutlich mit Verlust. 🙁

Toll hingegen und bereits jetzt schon fünfmal gespielt ist Factory Funner aus der Feder von Corné van Moorsel. Ich vermute, dass man es demnächst auch irgendwie bekommen kann, zum Beispiel auf der Spiel in Essen, aber einfach wird es nicht. Diese Bäckerei bereue ich nicht, im Gegentum.

Factory Funner

Factory Funner

In bester Galaxy-Trucker-Manier bauen wir eine Fabrik mit wunderbar verschrobenen Maschinen, die nachher wertvoller als die der anderen Spieler sein soll. Die Spieler decken gleichzeitig jeweils ein sechseckiges Plättchen auf, das farbige Ein- und Ausgänge besitzt. Es darf nun jeder – ebenfalls gleichzeitig und in Echtzeit – ein Plättchen auswählen, das darauffolgend in die eigene Fabrik eingebaut werden will. Dabei sorgt die Echtzeitkomponente zwar für leichte Hektik, in unseren Partien war aber selten die Schnelligkeit der bestimmende Faktor, denn zuerst muss man evaluieren, welche Maschine am besten geeignet ist, welche Inputs zu welchen vorhandenen Outputs passen (was am Ende Bonuspunkte einbringt und idealerweise auch das Layout der Fabrik ergänzt. Das Spiel sieht toll aus und spielt sich herrlich puzzelig. Auch solo ein Hochgenuss.

Ganz gespannt bin ich auf 7th Continent, das sich noch in der Produktion befindet. Ein Abenteuerspiel mit über 700 (!) Karten und einer (auf mehrere Sessions verteilbaren) Spieldauer von 17 Stunden. Dieses an Abenteuerspielbücher wie Einsamer Wolf (kennt das noch jemand?) erinnernde  Kampagnenmonster wird vielleicht im Oktober ausgeliefert werden. Vermutlich wird es auch in den regulären Handel gelangen, aber auf deutsch übersetzt vermutlich nicht. Oder? Immerhin konnte ich der Versuchung widerstehen, gleich die Erweiterungen mit zu ordern. Puh.

Und dann war da noch Sedition Wars, das legendär verspätet und verbuggt ankam und damit für sehr viel böses Blut sorgte. Und ich habe es – zu meiner Schande – nie gespielt. Momentan wartet es auf dem Dachboden darauf, irgendwann einmal gewürdigt zu werden. Oder auch nicht.

Abschließend möchte ich Euch noch ein mir am Herzen liegendes, gerade aktuelles Projekt vorstellen, für das noch bis zum 5. März Geld gegeben werden kann:

Heldentaufe

Als  Helden erkunden wir eine Oberwelt, die aus bunten Hexfeldern besteht und die erst im Laufe des Spiels aufgedeckt wird. Prinzipiell zieht man aktionspunktebasiert durch die Lande und sammelt dort Pilze, Fische oder Äpfel ein, die dann hoffentlich zu den Missionskarten, derer man drei auf der Hand hält, passen. Als Belohnung für das Liefern dieser Güter gibt es Siegpunkte (in Form von Monsterzähnen) oder Ausrüstung wie bessere Schwerter oder Siebenmeilenstiefel. So gerüstet wagt man sich eventuell auch in die gar gruselige Unterwelt und plättet dort drollige Monster. Das alles mit wirklich einfachen, familienkompatiblen Mechanismen und wirklich tollen Illustrationen. Eine Online-Implementierung kann man jetzt schon ausprobieren, und siehe da: total einfache Regeln, mir gefällt das.

Leider keine Miniaturen (à la Arcadia Quest, das wär mal was gewesen!), dafür aber schöne Pappaufsteller, was den geneigten Miniaturenmaler enttäuscht, Nichtbemaler aber freut, weil es dann auch bei denen bunt ist. Geht ja auch. (Link zu Kickstarter)

Das Kleingedruckte: Ich hatte letztes Jahr, als Heldentaufe schon einmal bei Kickstarter war, gebäckt unterstützt. Die Kampagne wurde jedoch leider eingestellt, aus persönlichen Gründen, glaube ich. Jetzt aktuell läuft der zweite Versuch, den ein alter Freund von mir, Daniel Theuerkaufer, managed. Deshalb bin ich da ein bisschen parteiisch. Ich bekomme aber kein Geld o. ä. von ihm, sondern bezahle (hoffentlich) für ein Spiel, von dem ich hoffe, dass es bei mir zuhause gut ankommen wird.

Gerade heute angelaufen ist Masmorra: Dungeons of Arcadia. Zum jetzigen Zeitpunkt haben die Jungs von Cmon bereits über 230.000 $ eingenommen. Und das an einem Tag! Ich bleibe standhaft, obwohl mich die Optik wie bei Arcadia Quest sehr anmacht. Denn über Asmodee wird es bestimmt eine deutsche Version geben. Nee, nee, aber netter Versuch. (Link zu Kickstarter) 

Und wie ist es bei Euch? Nutzt Ihr Kickstarter? Habt Ihr schon Bäckereien bereut? Oder seid Ihr froh, mitgebacken zu haben? Oder habt Ihr eine ganz andere Meinung zum Thema? Ich freue mich auf eine rege Diskussion.

Weiter spielen!

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* … und das hat nichts damit zu tun, dass wir hier liebenswerterweise vom Spieltraum, dem tollsten aller Spieleläden, gehostet und unterstützt werden; aber Malte bietet uns einen Ort, uns zum Spielen zu treffen, neue Leute und Spiele kennen zu lernen, Pizza zu essen und zu klönen. Wenn alle Menschen nur noch online kaufen würden, bedeutete das das Ende des Einzelhandels und auch des Spieltraums – wollen wir uns nur noch online treffen? Nee.
** weitere Ausnahmen: auf der Messe in Essen, aber auch da hauptsächlich die Sachen, die man sonst nicht bekommen kann.
*** es gibt natürlich noch weitere Schwarmfinanzierungsplattformen, zum Beispiel Indiegogo.