Ich gestehe es: ich mache es gerne in der Öffentlichkeit. Es ist ein gewisser Kitzel, von unbedarften Menschen dabei beobachtet zu werden. Am liebsten gehe ich in ein Café und gebe dort bei einem Milchkaffee und einem sündhaften, matschigen Schokoladenkuchen meiner Leidenschaft nach. So, äh, was? Spiele! Ja, genau, Spiele.

Wir spielen also gerne Spiele, während wir im Restaurant auf unser Essen warten. Oder bei einer Tasse Kaffee. Oder bei einem Glas frische Buttermilch auf einer Almhütte. Das Spielen in so einer Lokalität hat für mich einen ganz besonderen Reiz. Erklären kann ich den auch nicht; vielleicht ist es ein bisschen das potentielle Missionieren der nebensitzenden Menschen – „seht her, ich bin Spieler, und ihr könntet auch welche werden“. Vielleicht esse ich einfach gerne und kann somit zwei Lastern gleichzeitig frönen.

Die Anforderungen an so ein Café- oder Restaurantspiel sind einfach: das Spiel darf nicht zu lange dauern – 20 bis 30 Minuten sind das praktikable Maximum, denn länger wartet man selten auf ein medium-rare gebratenes Rumpsteak; der Platzbedarf muss relativ gering sein, damit Kaffeetasse und Eisbecher neben dem Spiel noch auf den Tisch passen; das Spiel muss aus wenigen Komponenten bestehen, damit selbige nicht versehentlich in den Spaghetti alla Puttanesca landen und versehentlich verspeist werden. Und das Spiel muss natürlich sehr transportabel sein, um neben einem vollgestopften Wanst nicht auch noch ausgebollerte Hosentaschen zu haben.

Mein Super-Mario-Love-Letter auf der Wimbachgrieshütte diesen Sommer.

Mein Super-Mario-Love-Letter auf der Wimbachgrieshütte diesen Sommer.

Ganz toll in diesem Zusammenhang ist das japanische Juwelchen Love Letter, das wirklich alle in der Familie (inkl. 2 Kinder, 8 und 11) lieben. Eine Runde dauert drei Minuten, so dass man, selbst wenn die Moussaka schon serviert wird, noch flugs zu Ende spielen kann. Und es besteht gerade mal aus 16 (!) Karten, und in meiner speziellen, selbstgestalteten Version sogar nur aus hobbitgroßen Minikarten, die es erlauben, das Spiel ständig in der Brusttasche meiner Jacke zu tragen. Besser geht es gar nicht.

Ich rate dringend allen Menschen dazu, Love Letter auszuprobieren. Dieses Spiel ist durch den geringen Regelaufwand zu zugänglich, dass es praktisch jeder verstehen sollte (wobei ich es noch nicht mit meiner Mutter probiert habe; das könnte der Lackmustest sein …). Außerdem fasziniert es einfach, es Spiel mit solch auf das Minimum heruntergebrochenen Komponenten zu erleben. Nur 16 Karten! Love Letter markiert zu Recht den Beginn des Trends der minimal games.

So klein ist das!

So klein ist das!

Ein weiterer Klassiker ist Heckmeck am Bratwurmeck. Ein sehr pures Würfelspiel, bei dem man sein Glück herausfordert und Risiken eingeht – der englischsprachige Spieler sagt gerne „push your luck“ dazu. In meinem Zug werfe ich alle acht Würfel und lege alle einer Sorte heraus. Nach jedem weiteren Würfelwurf muss ich eine weitere Zahlengruppe herauslegen; sollte ich das nicht können, ist mein ganzer Zug ungültig. Dazu kommt noch, dass die sechs (die als Wurm dargestellt ist und in einem Anflug knizianischen Kontrollzwangs nur fünf Punkte zählt) zwingend am Ende des Zugs herausgelegt sein muss. Also insgesamt ganz einfach. Acht Würfel, dazu 16 Zählsteine, das ist alles. Die normal erhältliche Variante ist dabei leider etwas sperrig, denn die Würfel sind übergroß (was beim Werfen selbiger ziemliche Schlosserhände erfordert) und die Steine aus schwerem, klickerklackenden Bakelit. Meine Version ist die inzwischen leider vergriffene Reisevariante, die in einer kleinen roten Metalldose daherkommt, wie sie sonst Halspastillen vorbehalten ist. Die Zähl-Zielsteine, die aus einem fast foliendünnen Material sind, kann man flugs wegräumen, sollte das Tikka Masala eher als gedacht eintreffen.

Quixx auf dem Campingplatz, direkt nach dem Frühstück. So geht's doch auch!

Quixx auf dem Campingplatz, direkt nach dem Frühstück. So geht’s doch auch!

In der gleichen Nische hat sich Quixx, nominiert für das Spiel des Jahres anno 2013, breit gemacht. Eine simple Würfelei (keineswegs abwertend gemeint!) in Kniffel-Tradition, komplett mit Wertungsblock und Ikea-Bleistift. Im Gegensatz zum Klassiker ist Quixx aber deutlich interaktiver, so dass die Spieler auch dann gefordert sind, wenn er nicht am Zug ist. Gerade einmal sechs bunte Würfel werden benutzt, perfekt für einen Bistrotisch. Das Spiel zu unterbrechen (weil zum Beispiel der Strawberry Cheesecake serviert wurde) ist jederzeit problemlos möglich, da ja alles auf dem Wertungsblock vermerkt wird. Nicht nur in einer Restaurantsituation ein grandioses kleines Spiel, für das es, nebenbei bemerkt, mit Quixx gemixt auch eine nette Erweiterung ohne zusätzlichen Regelaufwand, dafür aber höherer Varianz, gibt.

Träxx auf dem Campingplatz. Ich gebe zu, die Tischdecke ist wirklich schrecklich.

Träxx auf dem Campingplatz. Ich gebe zu, die Tischdecke ist wirklich schrecklich.

Der selbe Autor, nämlich Steffen Benndorf – der neue König der einfachen Spiele (The Game ist u. a. auch von ihm) – steuert noch Träxx bei. Pro Spieler wird eine abwischbare Tafel im A5-Format benötigt, auf der ein farbiges Sechseckmuster abgebildet ist. Ein winziges Kartendeck gibt nun vor, welche Kästchen wir mit einer Linie verbinden können, um punkteträchtige Felder zu erreichen. Dabei gilt die Vorgabe, dass nur an einem Ende unserer Linie weiter gezeichnet werden darf. Interaktion ist dadurch gegeben, dass nur der erste, der ein Punktefeld erreicht, dieses vollständig werten darf. Ein tolles Spiel, das in einer Viertelstunde gespielt ist und im Notfall auch völlig ohne Platz auf dem Bierzelttisch auf dem Schoß gespielt werden kann. Empfehlung!

Mosaix

Mosaix

Ein anderes, noch etwas älteres Spiel, dass das Schreiben auf abwischbaren Tafeln als Inhalt hat, ist das oft übersehene Mosaix. Vermutlich wird es keines Blickes gewürdigt, weil es meist bei den Mitbringspielen steht. Dabei ist die schwarze Blechdose nicht nur mit einem klasse Spiel gefüllt, sondern auch zum Spielen praktisch. In den flachen Deckel werfen wir die vier Würfel, die mit je drei Symbolen bedruckt sind. Der aktive Spieler ordnet die Würfel nun beliebig an – Tetris lässt grüßen – und alle Spieler sortieren diese Form nun auf ihrem Blatt an, wobei sie darauf achten, Gebiete mit gleichen Symbolen zu bilden. Wir nehmen Mosaix gerne mit, weil es sich flott spielt, hübsch ist, und so gut wie keinen Platz auf dem Tisch einnimmt. Außerdem kann man ohne Probleme nebenbei sein Hommous genießen, weil man sich jetzt auch nicht so großartig konzentrieren muss. Inzwischen ist unser Mosaix allerdings so „aufgespielt“, dass wir die Stifte ersetzen mussten.

Dead Man's Draw

Dead Man’s Draw

Zum Schluss noch kurz ein etwas neueres Spiel: Dead Man’s Draw. Bei diesem Piratenkartenspiel deckt der aktive Spieler eine Karte nach der anderen auf und wickelt deren spezielle Fähigkeit ab. Nach dem Aufdecken darf man jederzeit aufhören oder weitermachen und damit riskieren, die gleiche Karte erneut zu ziehen und damit den Zug zu verlieren – Push-your-luck (siehe Heckmeck) in Reinstform. Dass man die anderen Spieler gezielt ärgern kann, ist in der Familiensituation teilweise problematisch, macht aber trotzdem viel Spaß. Den Reiz entwickelt Dead Man’s Draw nicht unbedingt bei der ersten Partie, aber da eine Runde nur maximal zehn Minuten dauert, ist eine Revanche ebenfalls schnell gespielt. Leider ist Dead Man’s Draw zwar sehr transportabel – es besteht nur aus einem Kartenstapel – aber dennoch nicht für einen kleinen Tisch, auf dem Fajita gereicht wird, geeignet, da die erworbenen Karten offen aufgefächert werden und viel Platz benötigen. Dennoch eine unbedingte Empfehlung von mir.

Wie ist es mit Euch? Welche Spiele spielt Ihr in Restaurants?


Das war es für dieses Mal von mir. Wenn ich in diesem Post ein bisschen viel über Essen geschrieben habe, liegt das möglicherweise daran, dass ich in diesen Tagen besonders über Essen nachdenke – denn die Spielemesse beginnt morgen! Woo-hoo! Was erwartet Ihr von der Messe? Wird es besondere Highlights geben? Was möchtet Ihr kaufen, was werdet Ihr Euch ansehen? Spannend.

Für mich persönlich steht besonders Pandemie auf der Liste: zuerst natürlich die Weltmeisterschaft, an der ich zusammen mit meiner geliebten Frau teilnehmen werde, aber auch Pandemic Legacy, das das perfekte Spiel zu sein verspricht. Die Hits der Messe werden (rein spekulativ!) Mysterium und Codenames sein. Schieße ich mal so ins Blaue. – Wir melden uns nach der Messe mit einem Rückblick.

Wer übrigens will, kann mir unter www.instagram.com/HerrNiemann folgen; dort lade ich Fotos aller Spiele hoch, die ich in den nächsten Tagen in Essen spielen werde. Über einen Besuch freue ich mich.

Wir sehen uns in Essen!